Der Mandant arbeitet bei einem Wachdienst. Der Job ist hart. Ständig wechselnde Schichten, Wochenend- und Feiertagsarbeit und regelmäßig mehr Stunden, als es das Arbeitszeitgesetz erlaubt. Gezahlt wird der gesetzliche Mindestlohn von gegenwärtig € 7,31 brutto/Stunde.
Arbeiten ja, aber bitte richtig
Aber der Mandant mag den Job. Mit den Kollegen kommt er prima klar und der Chef ist auch zufrieden. Nur eines will er nicht: Da hat er die Spätschicht bis 22 Uhr und soll dann am nächsten Morgen um sieben schon wieder ran. Das ist natürlich ein klarer Verstoß gegen § 5 Arbeitszeitgesetz mit den mindestens 11 Stunden Ruhezeit zwischen zwei Einsätzen. Überhaupt sollte das Unternehmen etwas genauer auf die Arbeitszeitgrenzen achten. Der Mandant lässt sich beraten und spricht den Chef an. Das Risiko ist ihm natürlich bewusst, aber er weiß auch, dass er Rechte hat.
Die Kündigung folgt auf dem Fuß
Kurz darauf kommt die Kündigung, verbunden mit sofortiger Freistellung von der Arbeit. Der Chef erklärt sie mit dem Verlust eines Kunden. Die Sache mit der Arbeitszeit habe damit natürlich nichts zu tun. Aber wieso werden dann weiter Stellenanzeigen geschaltet? Warum machen die Kollegen weiter Überstunden? Und bei den Mitarbeitern gibt es ohnehin eine hohe Fluktuation. Der Mandant ist vorbereitet, er reicht Kündigungsschutzklage ein. Das Kündigungsschutzgesetz gilt, deshalb muss der Chef “dringende betriebliche Erfordernisse” für die Kündigung gerade auch des Mandanten darlegen. Dazu lässt er doch tatsächlich vorbringen:
... musste sich die Beklagte wegen des Auftragsmangel nicht nur von dem Kläger, sondern leider auch von fünf weiteren Arbeitnehmern trennen ...
Die Masse machts
Na also, das passte doch. Der Chef beschäftigt jedenfalls mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmer. Deshalb hätte er die Entlassungen der insgesamt sechs Arbeitnehmern nach § 17 KSchG vor Ausspruch der Kündigung bei der ARGE anzeigen müssen. Das hat er nicht getan. Damit waren die Kündigungen automatisch unwirksam. Wie sich in der Verhandlung herausstellte, bestanden auch wenig Chancen, eine neue Kündigung wirksam auszusprechen, Arbeit gab es schon genug. Klar, dass der Chef argumentierte, “das mit der Arbeitszeit geht nun mal nicht anders, das machen alle so, deshalb muss ich es auch machen.” Nur rechtfertigt das keinen Gesetzesverstoß. Und man konnte mit ihm reden, das Arbeitsverhältnis läuft seitdem problemlos.
Das Problem mit der rechtsfreien Zone
Rein praktisch war der Chef natürlich zu verstehen: Er ist benachteiligt, wenn die Konkurenz das Arbeitszeitgesetz nicht beachtet und deshalb die gleichen Leistungen billiger anbieten kann als der gesetzestreue Unternehmer. Jeder Unternehmer muss sich aber auch darüber im klaren sein, dass “Unterbieten durch Rechtsbruch” nur eine Todesspirale nach unten auslöst und es irgendwann um so heftiger knallt. Dagegen gibt es durchaus Mittel: Solche Verstöße stellen regelmäßig Ordnungswidrigkeiten oder sogar Straftaten dar und werden von den Arbeitsschutzbehörden verfolgt und abgestellt – wenn sie es denn wissen. Daneben dürften solche Verstöße, so schwierig die Beweislage sein mag, auch wettbewerbswidrig sein, wenn sie sich tatsächlich im Angebotsverhalten auswirken. Jedenfalls wäre es schon kurzsichtig und letztlich auch unproduktiv, eine schwierige Wettbewerbssituation über die Verletzung von Arbeitsschutzgesetzen bessern zu wollen.